(K)ein Rückstand

Die Hochbauarbeiten sind im Rückstand. Um genau einen Tag. So wird heute gearbeitet, in der normierten, standardisierten und durchgeplanten Welt. Was nach Druck von oben aussieht, findet in der Praxis meist viel banalere Erklärungen: vorbei sind die Zeiten, in denen eine Baustelle noch wie eine kleine Fabrik funktionierte: Sand anliefern, Kies beifügen und Wasser, Velofahrerinnen nachgucken und dann alles vermischen. Heute werden im Stundentakt Halb- und Ganzfertigprodukte angeliefert. Das will geplant sein, durchdacht, bis hin zur kurzfristigen Behinderung bei der Anlieferung, damit die Passant*innen ja nicht zu lange verärgert werden und empört die Bauverwaltung anrufen, weil ihre Lebensqualität so was von beeinträchtigt ist. Kommt aber zum Glück kaum mehr vor auf unserer Baustelle: das hat sicher auch mit Senhor Jose Afonso Dias Rodrigues zu tun, den Sie den ganzen Tag lächelnd und ein Liedchen pfeifend bei der Arbeit beobachten können.

Wenn er sich eine Fernsteuerung umschnallt, spielt er nicht etwa mit einem Modellflieger, sondern er drüllt den Kran, dessen Ausleger bis fast zum Dom reicht.

Wie gesagt, ein top Team ist hier im Einsatz, ohne viel und schon gar nicht laute Worte gemänätscht vom Polier Christoph Henz. Was der in seinem noch jungen Berufsleben schon alles gemacht hat: Stollen betoniert, Brücken gespannt, Staumauern hochgezogen und sich selber ein Haus gebaut. Lehrlinge hat er noch nicht so viele ausgebildet: die wollen nicht mehr auf den Bau. Das heisst, ihre Eltern wollen das nicht. Unklug, denn schneller und besser als via Handwerk findet ein junger Mensch nicht ins richtige Leben. Mit 20 auf eigenen Beinen stehen statt abhängig von Mutti bis 30. Fröhlich pfeifen lernt man auch noch.

Wenn sie oder er will, kann danach noch immer via Passarelle oder so der Weg zum Senior Strategic & Corporate Development Consultant to the Life Science industry oder zur baselstädtischen LGBTQ-Beauftragten gefunden werden. Wenn es ums Verworgge sein muss. Ob die viel zu pfeifen haben an ihren Pültchen im Grossraumbüro?

NB: Keine Sorge, dieser Rückstand stört keinen…

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Genau so!

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Soeben erschienen, bei Hanser. Und nachstehend eine Rezension dazu, aufgezeichnet bei perlentaucher.de. Man/frau beachte den letzten Satz.

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Genau das ist gemeint, wenn im Zusammenhang mit der Salix-Idee von Individualistinnen und Nonkonformisten die Rede ist. Einfach ein wenig anders, aber nicht besser und schon gar nicht überheblich. Ganz gleich, ob Single oder zu zweit.

Falls Sie über den Single auf dem Cover rätseln: Gustave Courbet, Le bord de mer à Palavas (1854)

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Potemkin